Prävention – Teil 2

Prävention – Teil 2: Vorschläge zu konkreten Präventionsmaßnahmen

Um den thematischen Einstieg in dieses doch sehr komplexe Gebiet zu erleichtern, kann ein kurzer zusammenfassenden Rückblick zu Teil 1 der Präventions-Beiträge nicht schaden (zumindest für mich selbst nicht, obwohl ich hoffe, ihr findet ihn auch sinnvoll 😉). Innerhalb Teil 1 wurde vor allem ein Ansatz von Prävention und dessen Hintergrund vorgestellt, der das Problem sozusagen an der Wurzel packt: Nämlich an den omnipräsenten und asymmetrischen Macht- und Dominanzverhältnissen innerhalb unserer Gesellschaft. Auf einer eher theoretischen Basis wurde letztendlich ein erster Ansatz von Präventionsmaßnahmen herausgearbeitet, der sich einerseits auf die Bewusstmachung dieser asymmetrischen Verhältnisse konzentriert, andererseits Menschen mit (kognitiven) Beeinträchtigungen Gehör und Barrierefreiheit zu Diskursen verschaffen soll.

Präventionsmaßnahmen in der Praxis
Jetzt stellt sich – wahrscheinlich nicht nur mir – die Frage, wie solche Präventionsmaßnahmen konkret und in der Praxis angewandt aussehen könnten? Auch hierfür haben die Autorinnen, Karin Sauer & Anja Teubert, die zu diesen bisherigen Erkenntnissen gekommen sind, Antworten. Grob gesagt schlagen sie einen ganzheitlichen Ansatz von Prävention vor, der sich durch die Verbindung von drei Ebenen auszeichnet: Der strukturellen Prävention, die darauf abzielt, Menschen Gehör und Handlungsmacht zu verschaffen; der institutionellen Prävention, die sich durch Aufklärung und Kampagnen innerhalb Institutionen auszeichnet; und der individuellen Prävention, bei der beispielsweise sichere Räume bereitgestellt werden. Auch könne man sich entscheiden, ob man sich bei Prävention eher auf die Lebens-Verhältnisse konzentriert, oder auf Verhaltensweisen. Ein Beispiel für ersteres wäre, gesetzliche Rahmenbedingungen anzupassen; zweiteres meint beispielsweise, ein positives Selbstwirksamkeitsempfinden aufzubauen. Kurzum, es dreht sich alles um Empowerment.

Na, wurde das Lichtlein, das gegen die (Handlungs-)Ohnmacht bei (sexueller) Gewalt ankämpft, wieder ein Stückchen heller? Immerhin werden hier einige konkrete Handlungsoptionen angeführt, die sowohl gegen die allgegenwärtige, diskriminierungsgetränkte Struktur, als auch auf individueller Ebene helfen können. Aber was sagt beispielsweise die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dazu? „Der Schutz vor Gewalt und Missbrauch ist in der Umsetzung vor allem eine Verwirklichung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, die den Respekt vor der psychischen und physischen Integrität von Menschen selbstverständlich mitumfasst und die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen wahrnimmt und ernstnimmt.“ Stichwort ‚Bedürfnisse‘ lässt uns nun wieder eine weitere Parallele zu sexueller Gewalt als Unterbindung von Sexualität erkennen. Darüber hinaus setzt auch die UN-Konvention stark auf Empowerment: Menschen sollen selbstbestimmt handeln können und soziale Barrieren müssen reduziert werden; das Konzept der Inklusion solle – vor allem auf institutioneller Sicht – angewandt werden; auch liegt ein Fokus auf barrierefreien Opferschutz: Die (rechtliche) Anerkennung von (sexueller) Gewalt und jeglichen erlittenen ‚Verletzungen‘, womit auch der Anspruch auf Entschädigungen und Therapien gegeben sein soll.

Betrachten wir nun die angeführten praxisnahen Vorschläge zu Prävention (sexueller) Gewalt, so lässt sich ganzheitlich der große Fokus auf Empowerment – also auf Selbstbestimmtheit und Autonomie – erkennen, unter dem die verschiedenen Präventionsmaßnahmen stehen. Menschen mit Behinderungen ernst zu nehmen; ihnen zuzuhören; ihre mitgeteilten Grenzen/Bedürfnisse/Gefühle wahrzunehmen; ihnen helfen, ihre eigenen selbstbestimmten Handlungsoptionen zu entdecken, anzuwenden und auch auszuweiten; sich den asymmetrischen Machtstrukturen der Gesellschaft Gewahr zu werden und dementsprechend zu handeln/zu sprechen/zu denken; …
Kann es nun sein, dass unser gesuchtes Lichtlein ‚Empowerment‘ ist? Strahlt Empowerment weit und hell genug, den Weg aus der Dunkelheit heraus, die (sexuelle) Gewalt oftmals mit sich bringt, zu erleuchten?

Verwendete Literatur/zum Weiterlesen:

Sauer, Karin/Teubert, Anja (2018): Prävention von (sexualisierter) Gewalt gegenüber Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, in: Interdisziplinäre Fachzeitschrift für Prävention und Intervention, Jg. 21, Nr. 1, S. 46-57.

Unabhängiger Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (z.B. 2011): Gewalt und Missbrauch an Menschen mit Behinderungen. https://www.monitoringausschuss.at